Projekte
Performance
Theaterlabor meets Jenny Aloni
Viel Zeit ist seit der ersten Ortsbegehung des Jenny Aloni Archivs an der Universität Paderborn im Mai 2022 vergangen - in der Zwischenzeit haben wir eine intensive Textrecherche, eine vielschichtige Konzeptarbeit, eine Produktionslogistik und viele, viele Proben absolviert. Musik wurde komponiert, die Technik, Kostüme und das Bühnenbild wurden zusammengestellt – und aus all diesen Einzelteilen setzte sich dann am 1.10.22 das Puzzle zusammen – und war mehr als die Summe seiner Teile.
Alonis Texte – vor allem ihre Tagebuchtexte - zeichnen das Bild eines Menschen, dessen Leben von extremenSpannungen geprägt war; sowohl im 'Außen', wie auch im 'Innen'. Ihr Bemühen um Sinnhaftigkeit und Ausgleich, ihreVitalität, ihr Lebens- und Gestaltungswille standen immer wieder vor den abgrundtief erschreckenden Dimensionenmenschlicher Grausamkeiten.
Ihre außergewöhnliche Kraft, ihre analytischen Fähigkeiten und ihre Hingabe an das, was sie tun wollte - und wohl auchmusste - waren die zentralen Ausgangspunkte für die Arbeit. Die insgesamt 14 Performer:innen entwickelten durch die Kombination ausgewählter Textpassagen mit Rhythmus, Bewegung, Energie und Kontakt dichte Atmosphären, die die Anwesenden mit einschlossen.
Stadtrundgang und "Schlachtertango"
Theaterlabor unterwegs in Lemgo
Am 05.03.23 fand in Lemgo der Stadtrundgang „Jüdisches Leben in einer alten Stadt“ und im Anschluss der„Schlachtertango“ - ein Solostück von und mit mit Michael Grunert vom Theaterlabor Bielefeld - imHexenbürgermeisterhaus statt.
Die Stadtführerin Liesel Kochsiek-Jakobfeuerborn leitete eine zehnköpfige Gruppe Interessierter durch die HansestadtLemgo und berichtete leidenschaftlich und eindrücklich von der Geschichte des jüdischen Lebens im Allgemeinen undvom Schicksal der Familie Frenkel und Karla Raveh im Speziellen.
Die Führung begann vor dem Hexenbürgermeisterhaus und endete im Frenkel-Haus mit mehreren Zwischenstationen, z.B. der Stelle, an der dieSynagoge stand, bevor sie 1938 von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Die Teilnehmer waren allesamt beeindrucktund bewegt. Nach gut 1,5 Stunden machte sich die Gruppe geschlossen auf den Weg zurück zum Hexenbürgermeisterhaus, wo noch weitere Zuschauer für den „Schlachtertango“ hinzu kamen.
Insgesamt hatte der Schauspieler Michael Grunert 17 Zuschauer bei seiner beeindruckenden Darstellung derLebensgeschichte des Ludwig M. aus Bielefeld, der als Jude und Homosexueller verschiedene Konzentrationslagerüberlebte. In dem historischen Ambiente des Hexenbürgermeisterhauses passte sich das Bühnenbild des Stücks aufbesondere Weise ein, sodass die Zuschauer sich wie versetzt in die Zeit und die Lebensumstände des Ludwig M. fühlten.Im Anschluss gab es noch eine rege Gesprächsrunde mit Michael Grunert. Die Zuschauer waren sehr interessiert anweiteren Informationen zum Stück und würdigten den Darsteller für seine Leistung.
Spectaculum
de defectum
Ein umwerfend unterhaltsames, theatrales Spektakel menschlicher Unzulänglichkeiten
Die (teilweise bestürzenden) Vorgänge rund um die Entdeckung der ältesten freistehenden Hofsynagoge in Nordwestdeutschland haben das Ensemble des Theaterlabors sehr beschäftigt. Denkmalschutzgesetze, Baumerkmale von Synagogen, Fachwerktechnik, Entwicklungsstadien von Insekten, die Wissenschaft von der Altersbestimmung verbauter Hölzer (Dendrochronologie) ... Auf Grundlage umfassender Recherchen und vieler Gespräche mit Menschen, die mit den Vorgängen befasst sind, entstand die Straßentheaterproduktion „Spectaculum de Defectum“. Die Zuschauer waren Kinder, Jugendliche, Erwachsene, ältere Menschen mit unterschiedlichsten Zugängen zum Thema: Angehörige jüdischer Gemeinden, Ehrenamtliche Mitarbeiter regionaler Projekte der Erinnerungskultur, Theaterpublikum, Nachbarn,eine bunte Mischung interessierter Menschen!
Die Presse schreibt: "...mit Leichtigkeit und Chuzpe wird der Finger in die Wunde gelegt..."
Über das Stück
Eine talentierte Truppe gemeiner Holzwürmer hat den idealen Lebensraum gefunden: ein verstecktes Gebäude in der Detmolder Innenstadt, von den Menschen seit vielen Jahrhunderten ungeliebt, fast unsichtbar und vom Verfall bedroht – kann also aufs vorzüglichste und in aller Ruhe vernagt werden. Generationen von Holzwürmern arbeiten gemeinsam am Projekt „28“.
Doch die Zeiten ändern sich und unsere Helden bekommen jede Menge Probleme: Bei dem verfallenen Häuschen handelt es sich um eines der ältesten jüdischen Bethäuser Norddeutschlands aus dem Jahr 1633 und somit um ein stadtgeschichtlich bedeutendes Bauwerk, das im besten Fall einer angemessenen und sinnvollen Nutzung zugeführt werden sollte.
Ja, wenn das so ist…will der Besitzer das Haus gefälligst abreißen und schöne Parkplätze bauen! Die Denkmalschutzbehörde taucht auf, das Justizsystem und die Zivilgesellschaft stehen buchstäblich auf der Matte und die schöne Ruhe ist dahin. Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, spielt auch die Zeit nicht mehr auf der Seite unserer Helden und lässt das Gebäude immer mehr verfallen…ein einziger großer Sturm und die Trennung der Mitglieder vom Projekt „28“ wäre nicht mehr zu verhindern.
Die Not wird immer größer und was hilft bei größter Not? Satire!
Theater für Jacob Pins
Theaterlabor unterwegs in Höxter
So hieß die Performance, die am 25. August im Forum Jacob Pins in Höxter gezeigt wurde. Die Räumlichkeiten wurden zur Bühne, die Werke zur Kulisse eines einmaligen Ereignisses. Schwarze, blätterlose Äste im Bühnenbild, den Holzschnitten nachempfundene, maskenartige Gesichter der Darstellenden, rote Pullover und viele berührende Texte ermöglichten den Zuschauern einen ganz neuen, intimeren Blick auf den Menschen Jacob Pins. Einhelliges Lob von allen Seiten und intensive Gespräche nach der Aufführung waren die Belohnung für das Ensemble und die Mitarbeitenden des Forums. Die für die Performance präparierten schwarzen Äste sind nun Bestandteil der aktuellen Sonderausstellung „Und die Bäume blieben in Höxter“. Sogar das Außengelände des Forums, der ehemalige Adelshof Heistermann, wurde zu Beginn der Aufführung bei angenehmem Wetter zur Spielfläche. Danach wanderten die Zuschauerinnen und Zuschauer durch die Räume, wo sie von Szene zu Szene geführt wurden. Anschließend konnte man bei einem Gläschen noch lange zusammen sein und sich mit den Künstlerinnen und Künstlern über das Gesehene austauschen. Ein gelungener Abend!
"Die Performance "Theater für Jacob Pins" bot eine äußerst gelungene Mischung aus Schauspiel, Pantomime, Tanz, Musik und Soundcollagen. Das Ergebnis: Eine Stunde unter die Haut gehendes, dichtes Theater mit einem berührenden Finale."
Eva Greipel-Werbeck (Jacob Pins Gesellschaft)
Großes Finale
Abschlussveranstaltung der KulturbeWegnungen
am Kulturstellwerk Nordlippe
Im Oktober 2023 steuert unser Projekt „KulturBeWegnungen“ auf seinen Abschluss zu: Am 1.10. luden wir zu einem bunten, lebendigem und informativen Tags jüdischer Kunst und Kultur am Kulturstellwerk Nordlippe in Farmbeck ein. In den vergangenen zwei Jahren haben wir uns intensiv mit jüdischen Künstler:innen wie Jakob Pins, Jenny Aloni und Felix Fechenbach beschäftigt, sind in der Region unterwegs gewesen, haben recherchiert, Aufführungen gespielt und Filme gemacht. Wir präsentieren Theaterstücke, Musik, Audioinstallationen, Tanzperformances, Theater von Kindern für Kinder, eine Ausstellung und jede Menge Möglichkeiten, sich auszutauschen und ins Gespräch zu kommen.
Podcasts
Im Verlauf unseres KulturbeWEGnungen Projekts haben wir mehrere Podcasts produziert. Hier finden Sie mehr dazu.
Goethe raus - Jenny rein?
Für diesen Podcast konnten einige unserer Jugendlichen Frau Schrader-Bewermeier, die Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Paderborn e.V. treffen, und sich über das Leben und Werk von Jenny Aloni austauschen.
Frau Schrader-Bewermeier kannte die jüdische Schriftstellerin aus Paderborn noch persönlich, neben den eindrucksvollen literarischen Texten sind die Tagebücher wertvolle Zeitdokumente, in denen Jenny Aloni analytisch und klug die Ereignisse um sie rum beschreibt.
Neben der spannenden Begegnung war es für unsere Jugendlichen auch eine Gelegenheit, sich im Produzieren eines Podcasts auszuprobieren; wie strukturieren wir die Inhalte, gestalten Überleitungen und wie funktioniert das Ganze überhaupt technisch. Das Ergebnis kann sich hören lassen!
Felix Fechenbach – Journalist, Schriftsteller, Politiker und Pazifist
Felix Fechenbach (1894-1933) war Journalist, Schriftsteller, Politiker und Pazifist. Er arbeitete von1929-1933 in Detmóld als Redakteur beim „Volksblatt“. Deutschlandweit bekannt wurde er seinerzeit durch die „Fechenbach-Affäre“, einen Justizskandal, der hohe Wellen schlug. Die ehemalige Lehrerin Barbara Witych hatte während ihrer Tätigkeit an der Felix-Fechenbach-Gesamtschule in Leopoldshöhe regelmäßig Begegnungen mit der Familie von Felix Fechenbach und pflegte viele Jahre privaten Kontakt zu den Nachfahren. Sie erzählt im Podcast von ihren persönlichen Begegnungen, weiß viele Details aus dem Leben von Felix Fechenbach geht vor allem auf seine Zeit in Detmold und seine Ermordung durch Nazis in der Nähe von Scherfede ein.
Ludwig Meyer – Jude, Homosexuell, Schlachter
Ludwig Meyer war ein in Bielefeld geborener jüdischer, homosexueller Schlachter, der sieben Jahre in Konzentrationslagern verbringen musste und danach viele Jahre um seinen Status als rassisch Verfolgter kämpfen musste. Er starb in Hamburg eines gewaltsamen Todes. Der Schauspieler Michael Grunert erarbeitete im Jahr 2010 das Solotheaterstück „Schlachter-Tango“, das auf der Biographie von Ludwig Meyer basiert. Er kann von Begegnungen mit lebenden Zeitzeugen berichten, von besonderen Begebenheiten, die nicht bekannt sind und vermittelt im Podcast das Bild einer schillernden Persönlichkeit. „Schlachter-Tango“ wird regelmäßig immer wieder aufgeführt und wird auch für Schulaufführungen gewünscht.